Motorradsuche in Leh
Davor, dass in indischen Behörden und an indischen Flughäfen immer Chaos herrscht, wurden wir ja bereits in Deutschland gewarnt. Wie chaotisch es dort aber wirklich zugeht, realisierten wir erst, als wir um 5 Uhr morgens in der Schlange der Sicherheitskontrolle für unseren Flug nach Ladakh, Jammu und Kaschmir am Flughafen in Delhi standen.
Da viele Inder versuchten, trotz der eindeutigen Verbotsschilder Taschenmesser, Lebensmittel und Flüssigkeiten mit ins Flugzeug zu nehmen, was bei jedem Zweiten zu einer hitzigen Diskussion mit anschließendem Drama führte, ging die Schlange nur sehr langsam voran.
Dass ich dann aber selbst noch zu einem Bremser in der Schlange wurde, damit hatte ich nicht gerechnet. Wie aus nahezu jedem Land der Welt gewohnt, legte ich meinen Reisepass und meine Bordkarte in die Wanne zum Röntgen und ging durch den Körperscanner. Nun wollte man aber direkt nach dem Scanner meine Bordkarte und den Reisepass sehen, was natürlich nicht ging, da dieser (zusammen mit meinem Helm) in der Wanne lag. Wäre soweit ja kein Problem gewesen, ich hätte den Pass ja einfach wieder vom Band nehmen können und dem Sicherheitsmitarbeiter zeigen. In Delhi werden „verdächtige Gepäckstücke“ aber automatisch zu einem separaten „Nachkontrollposten“ befördert und genau dort lag jetzt auch mein Reisepass und die Bordkarte. Ratlose Blicke bei den Indischen Sicherheitskräften, so eine Situation hatten die wohl noch nie. Nach einigen Telefonaten mit dem Supervisor wurde mir mein Pass dann gebracht und 10 Sekunden später konnten wir uns schon auf den Weg zu unserem Frühstückscafe im Sicherheitsbereich machen.
Mehr zufällig als geplant blickte ich kurz auf die Anzeigetafel mit den abgehenden Flügen, unser Flug nach Leh wurde schon als „Last Call, weg zum Gate: 15 Minuten“ angezeigt. Wir hatten ernsthaft fast 2,5 Stunden für den Check-In und die Sicherheitskontrolle benötigt.
Uns blieb also nichts anderes übrig, als mit schwerem Gepäck und Helm unter dem Arm durch den Flughafen zum Gate zu sprinten, wo die Stewardessen schon trippelnd auf uns warteten.
„How many Persons?“ „Three.“ „Ok, Boarding Complete“.
Der Flug nach Leh und vor allem der Landeanflug dort waren für mich das ultimative Highlight direkt nach dem Flug nach Lukla. Mit dem „großen“ Airbus A320 ging es knapp an den Berggipfeln vorbei, unterhalb der Berggipfel durch das Indus-Tal und schließlich zum Landeanflug auf Leh.
Der Flughafen in Leh war dann ein Paradebeispiel für einen Provinzflughafen, wie man ihn aus Entwicklungsländern oder Zentralafrika kennt. Eine Piste (immerhin Asphaltiert) und ein kleiner Blechverschlag als Terminal-Gebäude. Durch den Arrival-Bereich hätte man direkt von der Straße auf das Rollfeld durch gehen können, keine Sicherheitskontrolle, nichts. Dafür gab es aber in der Ankunftshalle einen Shop für Sauerstoffflaschen, immerhin war die Luft hier auf 3300m schon recht dünn.
Nun standen wir also in Leh, hatten bisher keine Motorräder und vor allem, wir hatten kein Hotel und wussten auch nicht, wo wir danach hätten suchen sollen. Free WiFi um auf Booking zu schauen ist in Indien ein Fremdwort.
Uns blieb also nichts anderes übrig, als erstmal mit dem Taxi zum Main Bazar zu fahren und uns dort nach Hotels umzuschauen. Etwas abseits des Main Bazar wurden wir dann auch fündig. Zwar nur „Cold Shower“, also kein warmes Wasser in der Dusche, aber für 11€/Zimmer pro Nacht wollten wir uns mal nicht beschweren, schließlich wollten wir ohnehin nur eine Nacht bleiben.
Da uns noch nicht so ganz klar war, wie Hannes und Julien die Höhe vertragen, ich wusste aus meinem Nepal-Trip, dass mir die Höhe relativ wenig ausmacht, beschlossen wir, nicht direkt auf die Suche nach einem Motorrad zu gehen, sondern erst etwas Leh zu erkunden.
Die drei touristischen Highlights von Leh waren zweifelsohne der Main Bazar mit seinen Seitenarmen, der Palast des letzten Königs von Ladakh und der Tsemo Maitreya Temple.
Nachdem wir auch auf dem Tempel waren, der noch einmal 500m über der Stadt thront, war für uns die Entscheidung klar. Akklimatisation schön und gut, aber wir wollten auf die Motorräder und los.
Bereits im Vorfeld hatten wir uns festgelegt, für die Route die wir fahren wollten kam nur die Royal Enfield Himalayan infrage. Online hatten wir schon einige Vermieter in Leh ausfindig gemacht, Problem war aber, dass die meisten entweder nur eine Himalayan hatten oder der Vermietungszeitraum von einer Woche zu lang war und man uns die Motorräder deshalb nicht vermieten wollte. Einzig bei Vermietern, die Motorräder in desolaten Zuständen hatten, hätten wir 3 Bikes für 7 Tage haben können.
Nach langer Suche fanden wir dann doch noch einen Vermieter der Motorräder in akzeptablem Zustand hatte und uns diese auch für den Zeitraum von einer Woche vermieten wollte. 10.000 Rupien (125€) für eine Woche erschien uns Fair und so war der Vertrag schnell aufgesetzt und unterschrieben.
Nun fingen die Probleme aber erst so Richtig an. Wir sollten 50% der Kosten (15.000 Rupien) als Vorkasse leisten, den Rest bei der Rückgabe der Motorräder. Nun hatten wir aber schon in Delhi das Problem, dass die Kreditkarten von Hannes und Julien kein Geld ausspucken wollten, meine Kreditkarte von den Automaten gar nicht erkannt wurde und die Reservekreditkarte aus irgendeinem Grund für Indien nur umgerechnet ca. 200€ am Tag zuließ. Und als ob das noch nicht genug des Guten wäre, hatten die meisten Geldautomaten einfach „NO CASH“.
Nachdem wir nun ungefähr jeden Geldautomaten den es in Leh gab ausprobiet hatten, fanden wir endlich einen Automaten, an dem Hannes Geld abheben konnte und wir die Anzahlung leisten konnten. Führerscheine haben zu diesem Zeitpunkt noch niemanden interessiert, lediglich unsere Reisepässe wollte man sehen, da damit die Permits (Genehmigungen) beantragt werden mussten.
Um 18 Uhr sollten nun also endlich die Enfields abholbereit sein, als wir dort waren, wurden wir jedoch auf 20 Uhr vertröstet, man müsse noch den „Service“ durchführen.
Um 20 Uhr, wir waren mittlerweile etwas angenervt, waren die Motorräder tatsächlich abholbereit. Davon, dass an den Bikes ein Service gemacht worden ist, merkten wir jedoch nichts. Bei einem Bike war das Fernlicht kaputt und beim anderen das Bremslicht.
Das Fernlicht war zwar schnell getauscht, das Bremslicht wollte sich beim Verleiher hingegen nicht reparieren lassen. Nach 30 Minuten basteln auf der Straße entschied der Vermieter kurzerhand, dass wir zu einer Werkstatt fahren.
In der Werkstatt war das Problem zwar schnell lokalisiert, der Druckschalter im Bremskreislauf der das Bremslicht schaltet war kaputt. Unser Vermieter wollte aber mit aller Gewalt den Schalter nicht tauschen lassen. Erst als wir vom Mietvertrag zurücktreten wollten, wurde der Sensor getauscht. Im Nachhinein wurde mir auch klar was das Problem des Vermieters war. Mit dem Wechsel des Sensors geht ein kompletttausch der Bremsflüssigkeit einher, was natürlich ein gewisser finanzieller Aufwand ist.
Mit nun endlich funktionierenden Motorrädern drehten wir noch eine Runde durch das nächtliche Leh um das Fahrverhalten der Motorräder kennen zu lernen. Im Nachhinein betrachtet nur mit Jeans, Pullover und Turnschuhen zum ersten Mal im Linksverkehr mit unbekannten Motorrädern in einer Stadt in der Hunde und Kühe auf den Straßen schlafen und in dem es Schlaglöcher gibt, in denen ein amerikanischer Flugzeugträger versinken könnte eine ganz schön leichtsinnige Aktion.
Wir drehten also noch eine Runde durch Leh, fuhren noch einmal zum Tsemo Maitreya Temple hoch auf den Berg und bewunderten Leh bei Nacht.