Per Anhalter durch die Sahara

Per Anhalter durch die Sahara

Eines unserer Hauptreiseziele in Mauretanien war ein Besuch in der Stadt Chinguetti, ein historischer Handelsposten für den Transsaharahandel und wichtiger Umschlagpunkt für die Salzkarawanen.

Seit 1996 sind die gut erhaltenen Ruinen des Ksar, zusammen mit der Freitagsmoschee, der zweitältesten Moschee der Welt, sowie einer ehemaligen Festung der französischen Fremdenlegion, UNESCO Weltkulturerbe. Über Jahrhunderte war die Stadt der wichtigste Sammelplatz der Mekka-Pilger aus dem Maghreb und wurde mit der Zeit selbst so etwas wie eine heilige Stadt. Auch wurde sie das Zentrum der islamischen, religiösen und wissenschaftlichen Gelehrsamkeit in ganz Afrika. Noch heute befinden sich in der Stadt die wichtigsten mittelalterlichen Manuskriptbüchereien Westafrikas mit wissenschaftlichen Texten sowie Originalschriften des Korans, viele von ihnen aus dem Spätmittelalter, welche sich größtenteils in Privatbesitz befinden.

Und genau diese Stadt sollte heute unser Ziel sein. Eine Reise voller unerwarteter Wendungen und Abenteuer, die so nicht vorhersehbar waren.

Nach einer entspannten Nacht in unserer Unterkunft „Bab Sahara“ in der Regionalhauptstadt Atar ging es morgens mit dem Buschtaxi, einem völlig überladenen Toyota Hilux, in die Wüste. An die regelmäßigen Kontrollen der Reisepässe, dessen Daten langwierig in ein großes Buch übertragen werden oder die einfache Abgabe eines Fiche (Kopie von Reisepass und Visum auf einem Blatt Papier, welches man einfach abgibt) an diversen Militärcheckpoints die sich immer wieder willkürlich auf freier Strecke befanden, hatten wir uns bereits gewöhnt.

Die Fahrt nach Chinguetti führte uns auf einer teils Schotter-, teils Sandpiste mitten durch die Sahara.

Anders als man vielleicht denkt, ist die Sahara zwar die größte Wüste der Welt, besteht aber nicht nur aus Sand. Dieser wechselt sich mit viel Geröll ab und zwischenzeitlich wird es auch richtig gebirgig. Die Fahrt durch den Canyon und über den Passe de Nouatil waren hierbei unvergesslich!

Auch die immer wieder die Straße kreuzenden Ziegen- und Kamelherden sowie die ein oder andere Karawane, welche die mitten in der Wüste lebenden Tuareg und Beduinen versorgte, versprühten eine ganz besondere Atmosphäre.

Als wir schließlich nach gut zweistündiger Fahrt Chinguetti erreichten, war das erste, was uns auffiel, die alten Lehmbauten, die sich harmonisch in die Wüstenlandschaft einfügen. Die mauretanische Bauweise, die auf traditionellen Techniken beruht, verleiht der Stadt einen zeitlosen Charme. Schmale Gassen, die vom Sand verschluckt werden, winden sich durch das Dorf, vorbei an historischen Moscheen, Bibliotheken und Wohnhäusern.

Die Wüste mag Chinguetti umgeben, aber in ihren Lehmbauten und alten Büchern erzählt die Stadt lebendig von einer Zeit, als sie ein lebendiges Zentrum der Gelehrsamkeit und des Handels war. Ein Besuch in Chinguetti ist nicht nur eine Reise durch die mauretanische Geschichte, sondern auch eine Reise zu den Wurzeln der menschlichen Zivilisation.

Doch als wir nach guten vier Stunden in der Wüstenstadt und der Wüstenlandschaft die Rückreise nach Atar antreten wollten, kam es zu einer unerwarteten Herausforderung: Zwar gab es in Chinguetti ein Agence de voyage, an welchem auch alle möglichen Reiseziele in Mauretanien angeschrieben waren, jedoch war das Büro verweist. Wir waren gestrandet.

Zum Glück trafen wir auf einen Einheimischen, der uns helfen wollte. Er informierte uns, dass aufgrund des Niedergangs des mauretanischen Tourismus die Stadt nicht mehr regelmäßig von Transportunternehmen angefahren wird. Entweder man bucht direkt bei der Fahrt von Atar nach Chinguetti auch einen Rücktransfer oder man wartet, unter Umständen auch mehrere Tage, bis ein Buschtaxi aus Atar kommt, in dem es einen Platz für die Rückfahrt gibt.

Dass es ebenfalls wegen der Tourismuskrise keine Hotels mehr in Chinguetti gibt, haben wir selbst schon festgestellt. Allerdings führte uns der Einheimische zu einem Laden, telefonierte kurz und teilte uns dann mit, dass ein Freund nach Atar fahren würde und uns mitnehmen würde.

Der nette Mauretanier verschwand und wir warteten auf der „Veranda“ eines „Tante-Emma-Ladens“ auf unseren Fahrer. Nach anderthalb Stunden des Wartens war jedoch immer noch niemand da und wir erkundigten uns beim Besitzer des Ladens, ob er etwas wisse. Dieser gestand uns, dass wir vermutlich angeschwindelt wurden und es sicherlich heute keine Fahrt mehr nach Atar geben würde.

Wir warteten weitere 45 Minuten und diskutierten, was wir nun tun sollten.

Die 80 Kilometer zu Fuß zurückzulegen war definitiv keine Option. Irgendwo am Ortsrand zu sitzen und Löcher in die Luft zu starren, allerdings auch nicht.

Also trafen wir die Entscheidung, wir füllen beide Rucksäcke mit so vielen Wasserflaschen wie es nur geht und laufen die Piste entlang in Richtung Atar. Wenn uns ein Autofahrer mitten in der Wüste stehen sieht, wird er schon anhalten und fragen, ob er uns helfen kann. Wenn unser Wasservorrat gut zur Hälfte aufgebraucht ist, würden wir wieder umdrehen.

Noch keine 1,5 Kilometer außerhalb der Stadt hörte wir Motorengeräusche von hinten. Ein großer, neuer, moderner Toyota Hilux, kein Vergleich zu den Klapperkisten, die sonst auf mauretanischen Straßen unterwegs sind, näherte sich. Ein kurzes Handzeichen und der Fahrer stoppte neben uns.

Das war ein wahrer Glücksgriff. Das Auto war mit zwei Französinnen und ihrem mauretanischen Fahrer besetzt. Alle drei sprachen perfektes Englisch, der Fahrer sogar etwas deutsch und so ging es für uns auf der Ladefläche des Pickups, der Fahrgastraum war komplett mit dem Gepäck der Damen vollgestopft, zurück nach Atar, sogar bis vor die Tür unseres Wüstencamps.

Diese Reise nach Chinguetti war zweifellos voller unerwarteter Wendungen und Herausforderungen. Doch sie hat uns auch gezeigt, dass man in schwierigen Situationen immer eine Lösung finden kann und dass es Menschen gibt, die einem helfen wollen.

2 Gedanken zu „Per Anhalter durch die Sahara

  1. Haha… Glück gehabt. Schöne Geschichte. Erinnert mich an unsere Fahrt von WÜ nach Agadez. Dauerte 3 Wochen mit Unimog. Viele Autos, die in den Dünen liegengeblieben waren und manchmal gespenstische Szenerien…. Danke

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