Die Himmelstigen an der Trolltunga
Schon die Suche nach einem wilden Zeltplatz am ganzen Hardangerfjord war eine Herausforderung. Von Ejdfjord bis Tyssedal gab es entweder nur Steilhänge oder kleine bereits belegte und dazu noch geschotterte Parkbuchten. Also blieb uns als letzte Option für eine Übernachtung nur noch der Campingplatz in Lufthus übrig.
Die Lage des Campingplatzes entpuppte sich später jedoch noch als großer Vorteil. In nur knapp einer dreiviertel Stunde und damit schon um kurz nach sechs Uhr am Morgen waren wir auf dem Parkplatz unseres absoluten Highlights der Skandinavientour – Der Himmelstigen zur Trolltunga.
Wie bei nahezu allen touristischen Highlights in Norwegen kommt man selbstverständlich auch bei der Trolltunga nicht um eine mehr als sportliche Parkgebühr herum. Immerhin hat man an der Trolltunga mehrere Optionen. Man parkt im Ort Tyssedal, zahlt “nur” 200 NOK für 24h, bekommt dafür aber zusätzliche 25 km über wenig spektakuläre Teerstraßen zur ohnehin recht langen Trolltunga-Wanderung dazu. Mit “günstigen” 500 NOK ist man am P2 dabei. Direkt am Stausee sind es von hier bis zum Beginn der eigentlichen Trolltunga-Wanderung nur noch 3,5 km, jedoch kommen nochmal 650 Höhenmeter auf dieser Strecke dazu. Zuletzt gibt es noch den P3. Der ist quasi direkt am Beginn der Wanderung und kostet auch “nur” 500 NOK, jedoch kommen nochmal 200 NOK “Maut” für die 3,5 km Serpentinenstraße oben drauf.
Da wir ja nicht die klassische Trolltunga-Wanderung machen wollten, sondern den Klettersteig “Himmelstigen”, war der Parkplatz P2 für uns ideal.
Da im Internet die wildesten Geschichten kursieren, wie schwer es doch sei, den Klettersteig zu finden, machten wir uns Anfangs doch ein paar Sorgen. Letztendlich waren diese jedoch völlig unbegründet. Nach einer xx km Wanderung entlang des Stausees stand man vor einem nicht zu übersehenden Schild, welches auf die Nutzungsregeln des Klettersteigs und die Instandhaltungsgebühr von 350 NOK hinwies.
Von nun an ging es eigentlich immer sehr gut mit rot-weißen Fähnchen oder roten Sprühmarkierungen den Hang nach oben. Über Trampelpfade, Geröllhalden und mit ersten kleinen Klettereinlagen bis zum Erreichen der Felswand. Ein kurzer Blick nach oben, noch einen Apfel und ein paar Zimtschnecken gegessen und direkt die Kletterausrüstung angelegt und losgeklettert.
Der Klettersteig ist eigentlich ein klassischer Ferrata. Komplett mit Klammern und Stiften, ein Kontakt mit dem Fels ist zu keiner Zeit erforderlich. Dafür ist die Stahlseilsicherung mit 2 parallelen Seilen im Format Wäscheleine definitiv kein Highlight. Diesen Klettersteig macht man wahrlich nicht wegen dem technischen Anspruch oder der tollen Kletterpassagen, sondern definitiv wegen der extrem spektakulären Aussicht!
Nach knapp unter 2 Stunden in der Wand erreichten wir das Hochplateau, an dem sich auch die Trollzunge, unser Ziel des heutigen Tages befindet. Sämtliche Beschreibungen im Internet, die wir über den Klettersteig gelesen hatten, deuteten darauf hin, dass es vom Ende des Klettersteigs bis zur Trolltunga “nur noch ein Katzensprung” ist. In Wahrheit waren es aber noch einmal 1,5 Stunden Fußmarsch über felsiges Gelände.
Nach den ganzen Strapazen wurden wir allerdings mit wohl einem der größten Highlights belohnt, das Norwegen zu bieten hat – majestätisch ragt die Trolltunga über dem Abgrund.
Zum ersten Mal wurde uns hier bewusst, dass wir mit dem Reisen während COVID den besten Zeitpunkt erwischt haben, um hierher zu reisen. Die Schauergeschichten mit einem völlig überfüllten Felsplateau und Wartezeiten von teils über einer Stunde nur für ein Foto blieben uns erspart. Abseits der Trolltunga waren vielleicht noch 30-40 weitere Menschen, die meisten entspannten jedoch in der Sonne und vor uns wollten nur 2 Weitere Fotos auf dem berühmten Felsen machen.
Nach einer kurzen Pause machten wir uns dann auch schon auf den Rückweg.
Wer nun allerdings denkt, der Rückweg wäre nach den Himmelstigen ein Kinderspiel, der irrt. Der Rückweg zum Parkplatz ist deutlich anstrengender als der Klettersteig hoch an die Trolltunga. Bis zum Parkplatz sind es noch einmal 14 Kilometer und ca. 800 Höhenmeter bergab(?), welche physisch wie psychisch sehr anstrengend sind.
Man wandert teilweise über das Hochplateau, teilweise über Berge und Senkungen auf dem ausgetretenen Pfad durch eine Geröllwüste. Wenige Kilometer vor dem Parkplatz P3, man denkt, man hat es nun so gut wie geschafft, geht es noch einmal final 150 Höhenmeter nach oben über eine Bergkuppe. Passenderweise hat es auch genau in diesem Moment angefangen zu regnen wie aus Eimern , so dass wir in weniger als 5 Minuten nass bis auf die Unterwäsche waren.
Was nun aber noch folgte, war für mich die reinste Qual. Nach zunächst 130 Höhenmetern Abstieg über ein Geröllfeld mussten weitere 500 Höhenmeter bis zurück zum Parkplatz über eine schmale, geteerte Straße absolviert werden. Hier habe ich mir vermutlich meine Knie so ramponiert, dass ich am nächsten Tag kaum noch laufen konnte.
Trotz aller Strapazen, 10 Stunden nach unserem Abmarsch waren wir von der Trolltunga zurück am Parkplatz, zum einen Stolz die Tour über den Klettersteig gemacht zu haben, zum anderen glücklich, die Trolltunga mit solch wenig Touristen erlebt zu haben.
Das nächste Mal würden wir jedoch vermutlich den Klettersteig wieder nach unten absteigen.