Eine Reise zwischen Wüstenhitze und Wasserfluten

Eine Reise zwischen Wüstenhitze und Wasserfluten

Wenn der Rückflug genauso wird, dann brauche ich Urlaub vom Urlaub. Das war mein Gedanke, als wir endlich – mit reichlich Verspätung – von Frankfurt über Istanbul in Maskat, der Hauptstadt des Omans, landeten. Nicht etwa wegen Turbulenzen oder Ähnlichem, sondern wegen massiver Verspätungen beim Abflug in Frankfurt, fehlender Kommunikation mit dem Flugpersonal im Flugzeug und schreiender, tobender Kinder in der viel zu engen Flugzeugkabine.

Als wir dann in Maskat aus dem Flughafen treten, schlägt uns die Hitze ins Gesicht wie ein Vorschlaghammer. Und das nachts um drei Uhr. Den Mietwagen wollten wir zu so später Stunde nicht mehr übernehmen, also ging es mit dem Taxi erst einmal ins Hotel – um dann sieben Stunden später direkt mit dem nächsten Taxi wieder zurück zum Flughafen zu fahren und den Mietwagen zu übernehmen. Frühstück gab es im Hotel ohnehin nicht, es war Ramadan.

Der Mitarbeiter übergibt uns den kleinen weißen Nissan Sunny mit einem Lächeln, das nicht ganz klar erkennen lässt, ob er uns einfach viel Spaß auf unserer Reise durch den Oman wünschen möchte oder uns innerlich für dieses Auto auslacht.

Wir verlassen Maskat am frühen Nachmittag, drei Stunden Fahrt bis nach Nizwa – eine Stadt, die einst das geistige Zentrum des Oman war. Heute fühlt sie sich angenehm kleinstädtisch an. Zwischen kreideweißen Häusern ragt die mächtige Festung von Nizwa empor. Von der Festung überblickt man ein Meer aus Palmen und Minaretten. Der Blick reicht bis ins nahegelegene Hadschar-Gebirge.

Am Souq kaufen wir Datteln und frisch gebackenes Brot, beobachten Männer in weißen Dishdashas beim Handeln und Kinder, die zwischen den Marktständen Verstecken spielen. Der Muezzin ruft zum Gebet, während wir auf der Terrasse unseres Gästehauses sitzen und das Abendessen genießen – denn es ist gerade Sonnenuntergang, und in unserem Gästehaus wird das traditionelle Fastenbrechen zelebriert. Oman fängt ruhig an. Aber wir haben Großes vor.

Am nächsten Morgen lassen wir Nizwa hinter uns und fahren Richtung Jebel Shams, dem höchsten Berg des Landes. Das Thermometer zeigt 36 Grad, der Tank ist halbvoll, das Navi gibt sich optimistisch. Die ersten Kilometer sind noch geteert, gesäumt von kleinen Dörfern, in denen vereinzelt Ziegen über die Straße trotten. Doch dann geht es plötzlich steil bergauf – Kehre um Kehre, bis sich der Asphalt verabschiedet und in eine Schotterpiste übergeht, die mehr an einen verlassenen Offroad-Parcours erinnert.

Der Motor jault, der Wagen schlingert über Geröll und durch ausgewaschene Kurven. Mit jeder Minute sinkt der Tankstand merklich – nicht panisch, aber sichtbar. Wir hoffen auf eine Tankstelle in den nächsten Kilometern. Doch dann, 15 Kilometer vor unserem Ziel: Der Tank ist fast leer, die nächste Tankstelle weit weg – und zurück müssen wir auch noch. Riskieren wir die 15 Kilometer? Macht zurück zur Tankstelle 30 zusätzliche Kilometer. Nein – lieber nicht! Wir drehen um. Der Rückweg wird ein Spiel aus Rollenlassen, Bremsen vermeiden und Gebet. Die Klimaanlage bleibt aus. Als wir schließlich in Al Hamra eine Tankstelle erreichen, atmen wir das Benzin förmlich ein – noch nie hat ein Zapfsäulenklick sich so gut angehört.

Und nun die gleiche Strecke ein drittes Mal. Schließlich wollen wir ja unbedingt noch in die Berge! Als wir den Aussichtspunkt erreichen, ist der Blick überwältigend. Der omanische „Grand Canyon“ öffnet sich tief und dramatisch vor uns – mehrere hundert Meter senkrechte Felswände, windgepeitscht und sonnenverbrannt. Keine Absperrung, kein Sicherheitsgeländer, kein Souvenirverkauf. Nur Natur! Das war den Umweg auf jeden Fall wert!

Unser nächstes Ziel: grob Richtung Ibra, am Rand der Wahiba Sands. Auf dem Weg dorthin machen wir Halt mit Übernachtung in Bahla – einer alten Lehmfestung, die fast die gesamte Stadt zu umarmen scheint. Touristen sehen wir keine, dafür eine Gruppe spielender Kinder, die sich in der Mittagshitze Wasserschlachten liefern. Die Festung selbst ist kühl, leer und still – ein gewaltiges Mahnmal an eine Zeit, als die Imame von Bahla große Teile des Landes kontrollierten.

Einmal nicht aufgepasst, waren wir plötzlich statt auf der geplanten Hauptstraße auf einer Nebenstraße durch die Berge. Ziel dasselbe, Fahrzeit verlängert sich nur minimal. Kein Problem – ist ja eh viel schöner. Letzte Nacht hatte es stark geregnet, was das in der Wüste bedeutet, mussten wir jetzt feststellen. Die Straßen waren voll mit Schlamm und Geröll, und schon bald fahren wir durch wadentiefes Wasser. Doch nicht lange. Vor uns eine Kuppe – und eine Schlange an Autos mit verzweifelt reinblickenden Fahrern. Wir steigen aus, laufen ein paar Meter und erkennen, warum. Dort, wo eigentlich die Straße war, hat der Starkregen einen Fluss geschaffen. Bestimmt 30 Meter breit und mit ordentlicher Strömung. Viele Menschen mit ratlosem Blick am Ufer, der ein oder andere Geländewagen, der sich waghalsig durch die Fluten kämpft. Für unsere kleine Reisschüssel: definitiv kein Durchkommen.

Also retour! Zurück auf die Hauptstraße, auf die Route, die wir eigentlich nehmen wollten. Aber auch hier sah es nicht wirklich besser aus. Oft blieb ich einfach am Straßenrand stehen, beobachtete die Autos, die durch die Überschwemmungen fuhren, um abzuschätzen, ob wir es denn realistisch schaffen würden. Bis wir wieder an eine Autoschlange kamen. Wieder eine Überschwemmung, die wir sicherlich nicht schaffen würden. Wieder zurück! Kommen wir hier noch irgendwie raus? Eine Option haben wir ja noch.

Doch bevor wir dort ankamen, setzte der nächste Regen ein. Nicht ein paar Tropfen, kein leichter Schauer – ein Wolkenbruch, der literweise aufs Auto prasselte. Mitten im Oman, einem der trockensten Länder der Welt.

Weiter geht es durch die nächsten Überflutungen – gefühlt wird das Wasser immer tiefer, aber so langsam haben wir den Dreh raus, wie wir am besten furten. Immer auf der Strömungsseite, leicht gegenlenken und bloß nicht zu schnell fahren, um keine Bugwelle aufzuschieben.

Aber wie sagt man so schön: Hochmut kommt vor dem Fall. Wir waren gerade wieder in einer Furt – oder eigentlich auf einem Damm, der einfach überspült wurde – rechts im Abhang konnte man ein weggespültes Auto stecken sehen, da kam uns ein SUV entgegen. Da wir zwangsläufig ausweichen mussten, verlor unser Auto die Traktion, wurde aufgespült und trieb Richtung Abgrund. Das hat zum Glück auch ein riesiger Radlader gesehen, der auf der anderen Seite des reißenden Flusses stand. Er machte kurzen Prozess, fuhr ebenfalls in den Strom, flankierte uns seitlich zur Strömung, sodass unser Auto wieder Kontakt zur Straße hatte – und wir gerade noch einmal so unserem Autovermieter nicht das Rund des Persischen Golfs als Rückgabeort hätten melden müssen.

Zum Glück sollte das auch die letzte größere Furtung des Tages sein. Langsam näherten wir uns wieder den Bergen, Dromedare am Straßenrand – und hoffentlich keine bösen Überraschungen mehr bis nach Al Raka, unserem neuen Tagesziel in der Wüste.

Eigentlich wären wir gerne in einem Wüstencamp abgestiegen. Da ich aufgrund der Ereignisse des heutigen Tages aber nicht auch noch in der Wüste stecken bleiben wollte – und die Jeepfahrer ein Vielfaches des Übernachtungspreises für den Transfer haben wollten – entschieden wir uns für ein Apartment am Rande der Wüste. Direkt an einer Düne, mit tollem Wüstenzelt vor der Tür. Nach einem Abendessen in einem syrischen Restaurant in der Stadt ließen wir im Wüstenzelt den Tag ausklingen und beobachteten den Sternenklaren Wüstenhimmel.

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